Was ist bloß los mit uns? Was raubt uns kollektiv den Verstand?
Angst ist unser lebenslanger Begleiter und hat durchaus ihren Sinn. Bei Gefahr löst sie einen natürlichen Fluchtreflex aus. Überwindung von Angst fühlt sich großartig an, und es gibt alle möglichen Dinge, die man tun kann, um sich seinen Ängsten zu stellen. Fallschirmspringen zum Beispiel. Kein Mensch springt aus schwindelnder Höhe aus einem Flugzeug ohne den Gedanken, dass der Fallschirm sich auch einmal nicht öffnen könnte.
Sterben und Tod machen Angst. Es ist dieses Nichtwissen um eine nicht greifbare, aber unausweichliche Situation, mit dem wir nicht umgehen können. Und diese unsere Angst nützen Politik und Medien hinterlistig und schamlos aus.
Anders kann ich mir das, was jetzt in Zeiten von SARS-CoV-2 passiert, nicht erklären. Die Grippewelle von 2017/18, eine der schwersten der jüngeren Geschichte, hat uns wenig berührt. Es war halt eine Grippe, zwar mit einer wesentlich höheren Sterberate als gewöhnlich, aber so ist das eben. Niemand kann seinem Schicksal entgehen, haben wir uns gesagt, und uns dabei öfter die Hände gewaschen, als normal.
Diesen Winter nun ist ein Virus aufgetaucht mit dem wohlklingenden Namen Corona. Als ob es nicht schon immer Coronaviren gegeben hätte. Dieses neue Virus löst eine ominöse Krankheit aus, die ungewöhnlicherweise keinen Tiernamen bekommen hat. Schweinegrippe oder Vogelgrippe, das war irgendwie noch greifbar. Aber nun haben wir COVID-19, ausgelöst von dem Coronavirus mit dem abstrakten Namen SARS-CoV-2, den sich niemand merken kann.
Statistisch gesehen liegen die Sterberaten weltweit zwar weiterhin in der Norm, allenfalls leicht darüber, aber in der Öffentlichkeit wird Endzeitstimmung propagiert. Hatten wir früher Star-Künstler, haben wir nun Star-Virologen. Sie peitschen uns ein, dass dieses Virus das Potential hat, die Menschheit auszurotten.
In unglaublicher Geschwindigkeit, weltweit und mit beispielloser Konsequenz, kommt das gesamte öffentliche Leben zum Erliegen. Arbeitslosigkeit und das damit verbundene Elend, verbreitet sich schneller als das Virus, auch wenn viele Menschen ein Trostpflaster in Form von staatlicher Pseudohilfe bekommen. Pseudo deshalb, weil sich der Staat das Geld am Ende von seinen Bürgern in Form von Steuern und Abgaben zurückholen wird.
Es ist aber nicht das Virus, das die gesamte Menschheit in die Knie zwingt. Sondern die Angst davor. Aus Angst verlieren wir jegliche Menschlichkeit.
Wir sollen und wollen die schwächeren Mitglieder unserer Gesellschaft vor einer Krankheit, die zweifelsohne gefährlich ist, schützen. Aber schützen wir unsere Alten denn, in dem wir sie wegschließen in den Altenheimen oder den Pflegeheimen? Schützen wir sie, indem wir ihnen ihre Freiheit rauben und den überlebenswichtigen Kontakt zu Mitmenschen? In dem wir sie mutterseelenalleine in sterilen Räumen krepieren lassen, ohne dass da jemand ist, der ihnen die Hand hält?
Ein bisschen hat das Ganze schon etwas von Scheinheiligkeit. Bevor Corona zugeschlagen hat, haben wir uns nicht gerade besonders viele Gedanken um unsere älteren Mitmenschen gemacht. Um die vielen Rentner, die Flaschen sammeln gehen müssen und die wachsende Altersarmut. Auf einmal aber scheinen wir unsere Alten schützen zu wollen und schließen sie von jeglichem gemeinschaftlichen Leben aus. Ist ja auch praktisch, wenn man nun sonntags nicht mehr Oma und Opa besuchen muss.
Schützen wir unsere kranken Mitmenschen, die dringend auf eine Operation warten, die aber weiter verschoben wird, da die Krankenhäuser frei gehalten werden für mögliche COVID-19 Opfer?
Und wie ist das mit kleinen Kindern, die monatelang zuhause eingesperrt werden, nicht auf den Spielplatz dürfen, ihrem natürlichen Bewegungsdrang nicht Raum geben können und ihrem Drang, die Welt wortwörtlich zu be-greifen?
Was sind wir doch für seelenlose Krüppel. Gesichtslos, hinter unseren selbstgenähten, medizinisch gesehen unsinnigen Masken. Die übrigens ständig verrutschen, weshalb wir uns wesentlich öfter als sonst ins Gesicht fassen und somit die großzügige Verbreitung von Viren und Bakterien beschleunigen. Aber sie sind ja lustig, rosa, lila, oder mit F*ck irgendeinen beliebig unbeliebten Politiker, aber unbedingt aus dem rechten Spektrum, bedruckt.
Und wehe, unser Nachbar feiert seinen Geburtstag im Kreis seiner Familie. Wobei die Familie zu groß ist, um den neuerdings vorgeschriebenen Mindestabstand zwischen einzelnen Menschen in der Wohnung zu garantieren. Wehe, Frau Soundso ist ihrer Wohn-Haft entflohen und sitzt allein im Park auf der Bank und liest ein Buch. Wehe der Nachbar geht ohne Maske einkaufen. Dann müssen wir das gleich mal melden. Bei der Polizei und am besten auch noch lautstark und nicht ohne Selbstgefälligkeit auf Facebook. Was sind wir doch für brave Vorzeigebürger.
Denunziantentum und gegenseitige Bespitzelung haben wieder Hochkonjunktur. Unser Erinnerungsvermögen reicht offensichtlich nicht lange. Die Berliner Mauer fiel gerade mal vor 30 Jahren und das Ende des grauenhaften Naziregimes ist auch erst 75 Jahre her. Gelernt haben wir wohl nicht viel.
Seien wir doch ehrlich. Wir wissen doch, dass ein Stoff-Fetzen vor dem Gesicht nicht vor der Verbreitung von Viren und Bakterien und was sonst so in der Luft herumschwirrt schützt. Wir tragen den Maulkorb aus Angst, von der Gesellschaft als unsozial abgestempelt zu werden.
Dabei sind die wirklich Unsozialen diejenigen, die mit unserer Angst spielen. Die unserer Gesellschaft die Menschlichkeit genommen haben. Die das Verständnis von Gesellschaft, so wie wir es kannten, abgeschafft haben. Die das Gebot zur Nächstenliebe außer Kraft gesetzt haben, uns der Freiheit, einem der wertvollsten Grundrechte, beraubt haben. Die uns zu Zombies machen. Machtgeile Politiker.
Sind wir denn noch zu retten?! Frei nach Rainer Werner Fassbinder: Angst essen Seele auf. Und offensichtlich den Verstand gleich mit.
Aufstehen, Corona richten, weitergehen.